Agilität und Flexibilität

Ein Löwe

Wenn das Wort Flexibel verwendet wird, ist es häufig mit Assoziationen wie Biegsamkeit verbunden. Die Flexibilität ist in der Regel ein reaktives Verhalten, bei dem eine Anpassung von Außen bestimmt wird. Agilität bedeutet hingegen Wendigkeit, die Möglichkeit schnell zu manövrieren, proaktiv zu handeln und vorausschauend Anpassungen vornehmen zu können.

Bei der Agilität in der Tierwelt habe ich häufig sofort Raubtiere wie Großkatzen vor Augen, die mit Geschwindigkeit, Wendigkeit und Kraft vorpreschen. Ihr Ziel haben sie dabei stets klar vor Augen und ihr Körperbau bietet die nötige Mischung aus Flexibilität und Stabilität, um schnelle Bewegungen zuzulassen. Das Tier reagiert proaktiv auf Situationsveränderungen.

Es wäre also ein Trugschluss, Agilität mit Flexibilität gleichzusetzen. Doch in der Tat ist für Agilität ein gewisses Maß an Flexibilität notwendig, um sich an veränderte Projektsituationen anzupassen und neu gewonnene Erkenntnisse in das weitere Vorgehen einfließen zu lassen. Auf der anderen Seite wird aber ebenso ein entsprechendes Maß an Stabilität gebraucht, um die Agilität zu ermöglichen. Andernfalls wäre das System zu instabil, um zielgerichtete Ergebnisse zu erwarten.

Großkatzen sind in der Tat sehr agil, können jedoch mit der Wendigkeit eines deutlich kleineren Tieres (allein schon aufgrund der Massenträgheit) oft nicht mithalten. Auch in Unternehmen gibt es eine gewisse Massenträgheit, die jedoch insbesondere psychologischer Natur ist, denn Veränderung benötigt Akzeptanz und Zeit bei den Betroffenen. Wie der Name schon sagt, nimmt die Trägheit mit der Masse (der Anzahl der Beteiligten) zu. Daher sind kleinere Teams oder Unternehmenseinheiten oft agiler als größere.

Agilität nur in Teilbereichen eines Unternehmens einzuführen macht daher zu Anfang durchaus Sinn, da der Informationsrahmen überschaubarer bleibt, denn erfahrungsgemäß ist einer der Grundsteine für Agilität Transparenz über die anvisierten Ziele. Jeder Teil in der Struktur muss wissen, welchen Einfluss sein Handeln auf die Zielerreichung hat.

Ein Blick auf Scrum, das wohl verbreitetste agile Framework, zeigt, dass sich die Begründer sehr viele Gedanken darum gemacht haben, wie die agile Arbeitsweise in Strukturen gegossen werden kann. Dazu werden im Scrum neben den Artefakten (Product Backlog, Sprint Backlog und Inkrement) mehrere Meetings vorgegeben, Rollen für verschiedene Personen definiert und Vorgaben zu zu erstellenden und einzuhaltenden Regelwerken wie der Definition of Done gemacht.

Ein weiterer Blick auf die Eigenschaften der Scrum Artefakte verrät auch schnell, warum Flexibilität nur zu einem gewissen Maße möglich ist. Angefangen beim Product Backlog, in dem höher priorisierte Aufgaben genauer spezifiziert sind, und der Definition of Ready am nächsten kommen: Wenn sich die Zielsetzung massiv verändert, sind die Priorisierung und die vorbereiteten Items hinfällig. Die neue Zielausrichtung erfordert hier einigen Aufwand, bevor die Entwicklung voranschreiten kann. Komplette und vor allem plötzliche Strategieschwenks sind also etwas, was auch mit agilem Vorgehen nicht ohne Produktivitätseinbußen einhergeht.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Agilität sowohl eine gewisse Flexibilität benötigt, als auch die nötige Stabilität in den Strukturen, damit die Einzelteile als Ganzes zusammen wirken können und nicht jeder Teil nach undefinierten Regeln arbeitet.